Der männliche Schmerz im Patriarchat
Wir reden über die Male Loneliness Epidemic, und nicht selten wird Frauen die Schuld gegeben. Dabei ist es eindeutig das patriarchale System selbst, das Männern beibringt, keine Verletzlichkeit zu zeigen, keine Schwäche zuzulassen und alles mit sich selbst auszumachen.
Das macht einsam!
Doch warum existieren so wenige Männergruppen, in denen Männer offen miteinander reden? Warum gibt es kaum Räume, die ihnen vermitteln:
„Du musst nicht so sein, wie die Gesellschaft es von dir erwartet.“
In Workshops und Beratungen höre ich von Männern immer wieder dasselbe. Sie wollen alles allein schaffen – und wenn sie schließlich über ihre Probleme sprechen, folgt häufig dieser Satz:
„Das habe ich noch nie jemandem erzählt.“
Und das sagen nicht besonders unsichere Männer oder Männer ohne Freunde, sondern ganz „normale“ Männer.
Männer aus meinem eigenen Umfeld, aus Freundschaften und Bekanntschaften.
Immer wieder das gleiche Muster:
Männer tun sich unfassbar schwer, sich anderen zuzumuten – außer vielleicht ihrer Partnerin.
Doch was passiert, wenn sie keine Partnerin haben?
Und selbst wenn: Die eigene Freundin ist keine Therapeutin.
Umfragen zeigen:
Für Frauen bedeutet es Handlungsspielraum und Entlastung, wenn sie anderen von ihren Problemen erzählen.
Für Männer bedeutet dieselbe Handlung Kontrollverlust.
Und damit ist nicht gemeint, im Smalltalk kurz über Stress im Job oder die letzte Auseinandersetzung zu sprechen.
Oberflächliche Gespräche empfinden die meisten Männer nicht als Risiko.
Der gefühlte Kontrollverlust beginnt erst dort, wo echte Nähe entsteht.
Also wenn ein Mann:
ernsthaft über seine persönlichen Themen spricht
innere Konflikte, Zweifel oder Ängste offenlegt
Scham, Unsicherheit oder Überforderung benennt
klar sagt: „Ich schaffe das nicht allein“
ein emotionales Bedürfnis formuliert
nicht weiß, wie der andere reagieren wird
Genau dieser Punkt wird Männern seit frühster Kindheit aberzogen.
Sie haben gelernt, dass sie nur dann als „stark“ gelten, wenn sie sich nicht zeigen.
Nicht wirklich. Nicht ganz. Nicht verletzlich.
Ein Appell – an die Männer selbst
Liebe Männer:
Eure Stimmen. Eure Gemeinschaft. Eure Solidarität füreinander.
Wann tut ihr euch zusammen?
Wann schließt ihr euch zusammen und kämpft auch für euch gegen das Patriarchat?
Wann fordert ihr Räume, in denen Männer reden dürfen?
Wann beginnt ihr, gemeinsam das System infrage zu stellen, das euch sagt, ihr dürft keine Schwäche zeigen?
Warum es Männer braucht, die mit Männern sprechen
Und eines ist wichtig:
Männer müssen dieses Gespräch mit anderen Männern führen.
Wenn ich Männern erkläre, wie sehr ihnen das Patriarchat schadet, hat es oft weniger Gewicht.
Aber wenn ihr selbst darüber sprecht – offen, ehrlich, verletzlich – dann verändert sich etwas.
Denn Männer hören Männern zu.
Nicht, weil das fair ist, sondern weil es die soziale Realität ist.
Darum braucht es Männer, die sich trauen, anderen Männern zu sagen:
„Du musst das nicht allein tragen.
Du darfst fühlen.
Du darfst reden.
Du darfst Mensch sein.“
Erst dann beginnt echte Emanzipation.
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