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Das muss vermutlich jede*r für sich selbst herausfinden – aber manchmal ist es das wert.



Ich rede hier nicht vom Serien-Fremdgeher, nicht vom dritten „Ausrutscher“ in zwei Monaten. Ich meine wirklich einen einmaligen Fehler. Eine Nacht. Ein Moment. Ein Ausrutscher, der sofort gestanden wird.

Vor ein paar Jahren, während meines Studiums, kam ich morgens in den Vorlesungssaal. Der Raum war fast leer. Nur eine Kollegin stand dort, mit der ich eigentlich nie etwas zu tun hatte. Und sie weinte – richtig heftig.

Ich ging zu ihr und fragte:
„Hey… alles okay?“

Sie schaute mich an und sagte ohne Umschweife:
„Mein Freund hat mich betrogen.“

Ich: „Scheiße.“

Sie erklärte mir, dass es gestern passiert war und ihr Freund es ihr heute Früh direkt gebeichtet hatte. Kein Ausreden, kein Verstecken. Aber sie war sicher, dass jetzt alles vorbei sei:
„Er hat mir das Herz gebrochen. Er hat alles kaputt gemacht.“

Ich fragte sie, ob ihre Beziehung davor eigentlich gut war. Ob sie glücklich miteinander waren.
Sie zögerte keine Sekunde:
„Ja. Sehr.“

Und da dachte ich nach.
Wenn eine Beziehung gut läuft… wenn man glücklich ist… wenn der andere den Fehler sofort zugibt, sich schämt, Verantwortung übernimmt… Ist dann wirklich alles verloren?

Ich sagte zu ihr:
„Ich finde, es geht nicht darum, dass Menschen keine Fehler machen dürfen. Die Frage ist: Wie gehen sie mit diesen Fehlern um? Wenn er versteht, was er angerichtet hat, wenn er bereit ist, deine Wut auszuhalten und aktiv daran arbeitet, dein Vertrauen wieder aufzubauen – dann kann diese Beziehung es wert sein, weiterzukämpfen. Aber wichtig ist: Du darfst jetzt wütend und verletzt sein. Und er muss das (er)tragen.“

Eine Entschuldigung ist keine Freikarte fürs Fremdgehen.
Sie hat nur Wert, wenn echte Veränderung folgt.

Und genau da entscheidet sich, ob ein Ausrutscher das Ende ist – oder der Anfang von etwas Ehrlicherem.

Vier Jahre später

Vier Jahre später hatte ich mit dieser Frau immer noch nichts zu tun. Wir waren nie befreundet, nie im selben Freundeskreis – es blieb bei diesem einen Gespräch im Vorlesungssaal.

Dann begegneten wir uns zufällig auf der Straße.

Ich wollte nur kurz freundlich nicken und weitergehen, aber sie kam sofort, fast aufgeregt, auf mich zu.
„Danke für deinen Hinweis damals.“
Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Ich wusste genau, worauf sie hinauswollte.

Sie erzählte mir, dass die Zeit nach dem Betrug unglaublich anstrengend war – Streit, Unsicherheit, Distanz. Aber sie hätten sich zusammengerauft, Schritt für Schritt. Und dabei habe sie etwas gelernt, das viele Paare zwar fordern, aber kaum wirklich verstehen: Vergebung.
Nicht als Vergessen. Nicht als „alles ist egal“.
Sondern als bewusste Entscheidung, den anderen nicht auf seinen schlimmsten Fehler zu reduzieren – und gemeinsam etwas Neues aufzubauen.

Und genau das hätten sie geschafft.
Heute, sagte sie, seien sie enger denn je.
Offener. Ehrlicher. Mit einer Kommunikationsbasis, die es vorher nie gab.

Ein  Ausrutscher muss nicht immer alles beenden. 

 

 

 


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