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Es ist, als würde man 30 Jugendliche mit einem Feuerzeug auf ein paar staubtrockene Heuballen setzen – und einfach abwarten, was passiert



Als Graz und ganz Österreich für einen Moment stillstand

Es gibt Momente im Leben – und man weiß genau, was man in dem Moment gemacht hat, als man die Nachricht bekommen hat.

Zum Beispiel die Amokfahrt in Graz 2015. Das Ibiza-Video 2019. Oder auch der Amoklauf letzte Woche an einer Schule in Graz.

Ich saß gerade in der Supervision, als ich einen Blick auf mein Handy warf – und nebenbei das Wort „Amoklauf“ las.

Die Momente danach haben uns alle ins Schweigen gebracht. Und die Tage danach haben uns alle in einen Ausnahmezustand der Betroffenheit versetzt.

Zumindest sah es medial so aus: Alle sind betroffen. Wir müssen jetzt zusammenhalten …

Wir müssen jetzt zusammenhalten – gegen wen? Für was?

Zwei Tage nach dem Amoklauf habe ich mich getraut, einem Freund anzuvertrauen, dass ich diese ganze Betroffenheit eigentlich nicht verstehe – und dass ich auch weniger traurig bin, als ich es vielleicht „sein sollte“.

Aber ich bin wütend, sagte ich nach einer kurzen Pause.
„Und enttäuscht …“

Ich ärgere mich, dass online jeder sofort seine Betroffenheit ausdrücken will und irgendeinen Beitrag leisten möchte – wie z. B. eine Blutspende (fürs Protokoll: Blutspendeaktionen sind super!).
Aber niemand will wahrhaben, dass das kein Einzelfall ist – und dass unser Problem viel tiefer liegt.

Unsere Gesellschaft will nicht erkennen, dass das eigentliche Problem nicht ist, dass wir „nicht gewappnet“ für einen Amoklauf sind. Stattdessen wird darüber diskutiert, ob es notwendig ist, eine Sicherheitsschleuse an Schulen einzurichten, um zu kontrollieren, wer mit was ins Gebäude geht – anstatt sich einmal ernsthaft zu fragen, wie wir als Gesellschaft verhindern können, dass es überhaupt so weit kommt.

Ein Freund hat ein sehr eindrückliches Bild dazu gezeichnet:
Es ist, als würde man 30 Jugendliche mit einem Feuerzeug auf ein paar staubtrockene Heuballen setzen – und einfach abwarten, was passiert.

Und das beschreibt es gut. Wir wollen unser Grundproblem nicht sehen.

Wir haben ein Problem mit Männlichkeit – mit dem Gewaltpotenzial, das darin oft steckt. Wir haben ein Problem mit Radikalisierung im Internet. Und wir haben keine sinnvollen Strukturen, wie wir mit Mobbing umgehen.

Storytime:
Ein Freund von mir wurde in einer großen Firma in Graz gemobbt. Als er das gemeldet hat, wurde er ins Büro gerufen. Dort sagte man ihm, die Firma könne sich „keine Mobbingvorfälle leisten“ – und außerdem passe er ohnehin nicht in den Bereich …

Ja, was soll ich sagen …

 


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